Linde Burkhardt Texte

DALLE GIOIE DEGLI ETRUSCHI

2017

Deutsche Fassung der Texte von Linde Burkhardt aus dem Katalog zur Ausstellung in Volterra 2017

SZENEN AUS DEM LEBEN DER ETRUSKER

Das Volterra des Lucchino Visconti aus „Vaghe le stelle dell‘Orsa“ war 1972 Grund für unsere erste Reise nach Volterra. Sie endete damit, dass wir uns Volterra gegenüber niedergelassen haben, in Montecatini Val di Cecina.

Von meinem Arbeitstisch aus kann ich zwischen zwei Zypressen hindurch, Sommer wie Winter, diese strenge Stadt aus gelblichem Stein über der fruchtbaren Ebene liegen oder fliegen sehen. Letzteres hängt vom Wetter ab, denn manchmal füllen Nebel das Tal der Cecina voll auf und Volterra schwebt oder fliegt über diese hinweg. Es gibt ja auch die Vermutung, dass der Name der Stadt davon kommt, dass sehr früh schon beobachtet wurde, dass sie über Länder und Felder, ja über die Erde zu fliegen scheint: Vola Terrae.

Bei unseren Besuchen in Volterra haben wir oft das Etrusker-Museum besucht und ich war sehr erstaunt darüber, so viel griechische Kunst und Mythologie dort anzutreffen. Deshalb war ich im Grunde meines Herzens davon überzeugt, dass die Etrusker aus dem nahen Umkreis der griechischen Kultur stammen. Die Lektüre von „Die Etrusker“ von Jaques Heurgon hat mir dann den ganzen Problemkreis erschlossen. Ich füge gleich hinzu, dass dieses Buch meine wesentliche Informationsquelle geblieben ist. Fast alles, was ich weiß und wovon ich hier spreche, stammt aus diesem köstlichen Buch. Es ist bereits 1961 in Paris unter dem sehr viel anschaulicheren Titel „La Vie quotidienne des Etrusques“ erschienen und vielleicht hat die neue Etruskerforschung Feststellungen von Heurgon bestätigt oder hat sie auch korrigiert. Seine aufmerksame und liebevolle Beschäftigung mit dem Alltagsleben der Etrusker erscheint mir für einen Laien sehr erhellend und hat schließlich auch zu dieser Reihe von Teppichen geführt.

Meine Beobachtungen im Museum Guarnacci in Volterra fand ich bei Heurgon dann auf ganz unerwartete Art erklärt: „Alles, was griechische Kultur war, führten die Etrusker in ihr Land ein und ahmten es nach; ja, sie verloren sich fast selbst in der Vermittlung griechischen Kulturguts.“

Ungeklärt scheint bis heute, ob die Etrusker aus Lydien einwanderten, dem westlichen Teil der heutigen Türkei, oder ob sie Erben der Villanova-Kultur sind, die vor den Etruskern in den gleichen Gegenden Italiens existierte.

Dionysos von Halikarnassos, Zeitgenosse von Augustus, hält daran fest, dass die Etrusker nirgendwo her eingewandert sind, sondern immer da waren, von verschiedenen Invasionen überflutet wurden aber nicht zu Grunde gingen.

Die Entfaltung der etruskischen Kultur zu Beginn des 7. Jahrhunderts v. Chr. könnte, „also eine Renaissance nach einer langen Periode stiller Aufwärtsentwicklung sein, die unter verschiedenen Einflüssen stand, vor allem orientalischen und griechischen.“ schreibt J. Heurgon und erläutert die These von der Herkunft der Etrusker aus der Villanova-kultur.

Betroffen und sehr erfreut macht mich auch sein so naheliegender Hinweis darauf, dass das antike Etrurien, zwischen 7. und 2. Jhdt. v.Chr. und das damit annähernd identische Gebiet der Toskana seit dem 15. Jahrhundert, sowohl die Kultur der Etrusker als auch die italienische Renaissance hervorgebracht hat, also Brennpunkt von zwei weltweit bedeutungsvollen italienischen Hochkulturen war. Außer gelegentlichen Besuchen im Museum Guarnacci haben mich die Etrusker dann jahrelang wenig beschäftigt, bis ein Anstoß von außen das änderte. Die Initiative „Volterra Werkstatt“ suchte Künstler und Designer um Objekte zu entwickeln, die sich thematisch mit Volterra befassen.

Zunächst beschäftigte mich der Gedanke durch ein Objekt das oben beschriebene VOLA TERRAE sichtbar zu machen. Dom, Baptisterium und Palazzo dei Priori, aus hauchdünnem, gegossenem Metall, sollten mit Hilfe von Magneten im Arm einer jungen Frau ebenfalls über der Erde schweben. Dabei gab es allerdings erhebliche technische Schwierigkeiten, die nicht zu überwinden waren, und schließlich wurden die drei mittelalterlichen Architekturen in Schokolade gegossen. Im Winter kann man sich im Café L’INCONTRO in Volterra daran laben. Meine Suche ging also weiter.

Im Museum Guarnacci steht hinter Glas eine Figur, vielleicht 9 cm hoch. Sie hat ursprünglich als Griff für eine kleine etruskische Stielpfanne gedient. Anmutig hält sie das längst abgebrochene Pfännchen. Die wie bei einer Meerjungfrau verknoteten Beine schützten vor viel mehr als zweitausend Jahren die Hand des Kochs vor zu direktem Kontakt mit dem Feuer.

Diese Figur habe ich übernommen und leicht vergrößert in Wachs geformt. Dann wurde sie aus dünnem Kupfer gegossen und steht jetzt auf einer kleinen Vase. Der Volterra-Roman von D’Annunzio „Forse che si, forse che no“ gab dem Figürchen den Namen „Isabella“. Diese trägt jetzt das Banner mit der Aufschrift „Vola terrae“.


In den vergangenen Jahren habe ich zahlreiche Teppiche zu unterschiedlichen Themen und für verschiedene Herstellungstechniken entworfen. Das waren Teppiche, die entweder am Jacquard-Webstuhl oder in einer Tufting-Technik realisiert wurden.

Überraschend bekam ich Gelegenheit Teppiche zu entwerfen, die von Hand geknüpft werden sollten. Aus den vielen bildhaft darstellbaren etruskischen Lebenswirklichkeiten habe ich einige Themen ausgewählt um daraus Entwürfe für Teppiche gestalten.

PFLANZEN

Die Pflanzenwelt der Etrusker kennt eine sehr pragmatische Besonderheit. Sie unterscheiden zwischen Pflanzen, die gut für den Menschen sind, und solchen, die Unheil ankündigen. Natürlich haben die Haruspices Pflanzen, neben vielerlei anderen alltäglichen Erscheinungen, auch als wichtiges Indiz für ihre Prophezeiungen eingesetzt.

Wo Kreuzdorn, Blutkornellkirschen, Farne, schwarze Feigen, Stechpalmen, wilde Birnen, Mäusedorn, Heckenrose oder Brombeeren wuchsen, da war Unheil zu befürchten. Sie galten als Verderben bringende Höllenflora und Schlimmes war zu befürchten.

Dem gegenüber stand eine Fülle von Bäumen, Sträuchern, Pflanzen und Blumen, welche in den Ebenen Etruriens und rund um die etruskischen Städte gediehen und diese ernährten. Die Ebenen im Landesinneren waren vor allem dem Getreide- und Weinbau vorbehalten. Etrurien produzierte so viel Getreide, dass es im 5. Jahrhundert mühelos den Römern aushelfen konnte. Einige Berichte schildern die großen Transporte aus den am Tiber gelegenen Silos nach Rom. Das etruskische Volk ernährte sich von einem Brei aus Mehl, der lange Zeit das Grundnahrungsmittel war. Später dann empfahl Ovid dieses besonders feine und weiße Mehl den Damen als Gesichtspuder.

Seit Alexander dem Großen waren in Griechenland Weine der Etrusker bekannt und geschätzt. Etrusker verfügten über viel Erfahrung auf dem Gebiet des Weinbaus, entwickelten besondere Veredelungstechniken und kombinierten bei der Anlage von Weinbergen bereits verschiedene Rebsorten um den jeweils gewünschten Geschmack zu erzielen. Die Etrusker selbst bevorzugten Muskatweine. Man kann sicher sein, dass bei den Gelagen dieser süße Wein aufgetischt wurde.

Heute sind Ölbäume aus der Toskana nicht wegzudenken, aber seltsamerweise waren sie in Etrurien wenig verbreitet. Da die Etrusker sehr viel Öl verbrauchten, nimmt man an, dass es aus Attika eingeführt wurde. Viele griechische Amphoren weisen darauf hin.

Ovid notiert, dass es im Etruskerland viele Obstgärten gab, viele blaue, glockenförmigen Blüten, vielleicht Winden. Mohn und Lilien sind auf Fresken zu erkennen, auch Efeu, Akanthus und Eichen.

Die von den Etruskern geschätzten Pflanzen und die wesentlichen der unheilverkündenden Pflanzen erscheinen in der Ausstellung nun also nicht auf einem Teppich. Da ich aber so ungern auf sie verzichten wollte, haben ich sie in eigens dafür entwickelte Glas- und Keramikvasen gepflanzt und auf Podesten mit ausgestellt. Die Beschriftung hilft „gut“ und „unheilbringend“ im Sinne der Etrusker zu unterscheiden.

Und heute? Brombeeren schmecken so köstlich, Heckenröschen, die entlang von Wegen in Kaskaden über Büsche fallen, entzücken uns ebenso wie der im Schatten gedeihende Farn.

DER GARTEN DES ETRUSKERS AULO

Die dramatische Unterscheidung in der Pflanzenwelt der Etrusker reizte mich zunächst sehr diese auf einem Teppich darzustellen. Es sind Entwürfe dazu entstanden, aber sie waren unbefriedigend, weil die Vielzahl der Pflanzen und deren unterschiedliche Größen sehr schwer in ein Konzept zu fassen sind, welches dann in Teppichknoten umgesetzt werden soll.

Deshalb habe ich den kleinen, sehr persönlichen Garten eines Etruskers mit Namen Aulo entworfen.

Aulo liebte Blumen, besonders Lilien und Iris aber auch schöne Gräser, Blattpflanzen und kleine Büsche. Der Garten war umstanden von großen Lorbeer- und Granatapfelbäumen, Zypressen, vielleicht Pinien und etwas Unterholz, denn nur so konnte sich der Garten auch zu einem Paradies für Pirole, Wachteln, Amseln und Drosseln entwickeln. In diesem Ausschnitt schnattern und plätschern Enten im Wasser, die scheuen Pirole sind kurz zu sehen, die Wachteln verlassen ihr Versteck im Unterholz und Aulo schaut immer wieder von seinem schattigen, versteckten Ruheplatz aus genüsslich zu.

BESTIARIO

Das Tierreich der Etrusker zeigt sich in fast allen ihrer Zeugnisse. Tiere sind einfach überall mit dabei: auf Fresken in den Gräbern sind sie bei den meisten Vorgängen selbstverständlich, eine Katze belauert unter dem Speisesofa Hahn und Henne, auf Schmuckstücken sind sie liebevoll in Szene gesetzt, als Gebrauchsgegenstände sind sie in vielerlei Gestalt dabei.

Die schneeweißen Kühe der Etrusker waren weithin bekannt und sind heute noch auf den toskanischen Weiden zu sehen. Für die Haruspices waren sie besonders begehrte Opfertiere.

Die Etrusker waren gewohnt alle Arbeit mit Musik zu begleiten und hatten ihre Tiere in den Herden so trainiert, dass sie dem Trompetenklang folgten. Ganz anders die griechischen Hirten, welche ihre Herden vor sich her treiben mussten.

Die großen Wälder waren voll von Tieren. Wildschweine, Hasen, Hirsche und Wildschafe werden gejagt, unterstützt von vielen flinken Jagdhunden. Durch Gesang erleichtern sich die Träger nach der Jagd den Heimweg mit der schweren Last der Beute.

Die Etrusker haben auch eine Vorliebe für Darstellungen von Tieren, die sie kaum in den heimischen Wäldern angetroffen haben können. Die dargestellten Panther, oder Löwen, die eine Gazelle jagen, sind genauso wenig der Wirklichkeit abgeschaut wie Sphinxe oder Fabelgreifen.

Heurgon vermutet, dass einerseits die Kunst der Nachbarn hier Einfluß genommen hat und dass andererseits diese Darstellungen noch auf eine uralte religiöse Vertrautheit mit der Tierwelt hinweisen, die bis in ferne Ursprünge zurückweist.

Eine Fülle an Vögeln sind auf den Fresken zu sehen: Sie fliegen und flattern, Jäger versuchen sie mit der Schleuder zu erlegen. Es gibt ganze Schwärme von Enten, Züge großer roter Schwimmvögel wurden als Kormorane identifiziert. Delphine springen aus dem Wasser.

Man kennt bei Populonia und Monte Argentario Beobachtungsposten, von welchen die Thunfischzüge beobachtet wurden und zumindest in der römischen Kaiserzeit hat Rom seine Fische von den Etruskern bezogen. Auch ein erstaunliches Experiment scheint den Etruskern gelungen zu sein. Sie setzten in den Seen von Bracciano, Bolsena und Vico Meeresfische aus und tatsächlich sollen sich Barsche, Schwertfische und andere Arten gut an das Süßwasser gewöhnt haben.

TÄNZERINNEN

Fast alles, was wir über die Etrusker wissen, stammt aus ihren Gräbern. Sie spiegeln architektonische Formen ihrer Häuser und Räume wieder, Wände sind oft mit noch gut erhaltenen Fresken geschmückt und die Vielzahl der Grabbeigaben sprechen Bände.

Das Triclinium-Grab in Tarquinia zeigt in paradiesischer Umgebung Fresken mit lächelnden Tänzerinnen und Tänzern. Ihre stampfenden und hüpfenden Bewegungen in Tanzkleidern sind mitreißend. So und ähnlich hat man sich die Tänze vorzustellen, die auch bei Banketten aufgeführt wurden.

Eine dieser Tänzerinnen habe ich für den Entwurf ausgesucht. Die Schöne tanzt in Sandalen, trägt Armreifen und eine Halskette. Die Körperformen der jungen Frau sind durch die halbtransparenten Gewänder gut zu erahnen. Der mit ihr tanzende junge Mann, der auf dem Teppich nicht erscheint, ist nackt. Man kann beobachten, wie wichtig bei diesen Tänzen vor allem das kunstvolle Spiel der Hände ist. Getanzt wird in einer Art fröhlichem Zaubergarten. Katzen, die auf Vögel lauern, klettern lautlos an Olivenbäumen hoch, der Himmel schwirrt voller Amseln und Drosseln. Heiterkeit und Unbeschwertheit dominieren.

Die Etrusker kannten neben Kriegstänzen vor allem profane und religiöse Tänze, die weithin berühmt waren. Als zum Beispiel 364 v.Chr. in Rom die Pest ausbrach und keine ausreichend wirksamen Heilmittel vorhanden waren, wandten sich die Römer in großer Not an die Etrusker. Man bat diese nach ihrer Sitte in Rom Tänze aufzuführen, die den Zorn der Himmlischen besänftigen und die Bevölkerung ablenken sollten. Man schätzte die etruskischen Tänzerinnen und Tänzer, so berichtet der Historiker Livius (59 v.Chr. bis 17 n.Chr.), „weil ihre Bewegungen nicht ohne Anmut waren.“

Der Dichter Ovid (43 v.Chr. bis 17 n.Chr.) beschreibt die Spiele zur Zeit des Romulus, also etwa 753 v.Chr.. Er vermutet, dass die Sabinerinnen bei diesen Spielen nur deshalb geraubt werden konnten, weil sie vom Schauspiel der etruskischen Tänze so gefesselt waren, dass sie die Gefahr nicht erkennen konnten, die ihnen zum Verhängnis werden sollte.

CONVIVIUM

Meine Sinne waren inzwischen hellwach für alles, was mit Etruskern zu tun hat. Im Archäologischen Museum in Florenz begegnete mir, etwa auf Augenhöhe, ein nicht großes aber sehr beeindruckendes, etruskisches Steinrelief. Es zeigt höchst lebendig zwei Etrusker, die sich zum Mahle gelagert, lächelnd miteinander unterhalten. Man kann sich vorstellen, wie etwas abseits ein Mundschenk bereitsteht um Trinkschalen nachzufüllen, wie Köche im Hintergrund Teig kneten, Pfannen in den Ofen schieben. Sicher wurde auch Musik gemacht und getanzt. Vergil berichtet davon, wie in Etrurien mit Hilfe eines Mörsers aus Kräutern, Knoblauch, Käse und Wein eine köstliche Speise zubereitet wurde und Horaz weiß von einem sehr beliebten Eintopf aus Gerstenbrei, Rosinen, Pinien- und Granatapfelkernen mit Honigwein.

Dieses Relief wurde für mich Ausgangspunkt für den Teppich „Das Convivium“.

Poseidonios (135 bis 51 v.Chr.) berichtet, dass sich die Etrusker zweimal am Tag üppig auftischen lassen mit allem, was zu einem feinen Leben gehört. Eine beträchtliche Zahl Sklaven steht zu ihren Diensten. Diese sind oft von erlesener Schönheit und mit prächtigen Kleidern geschmückt.

Es ist gut, sich auch daran zu erinnern, dass es sich um eine archaische Gesellschaft mit häufigen sozialen Spannungen handelt.

Theopomp (378 bis 323 v.Chr.), bekannt für seine Redekunst aber auch für seine Klatschgeschichten, erzählt davon, dass die Gelage oft mit erotischen Genüssen verbunden waren und dass die Etrusker dabei einen erfreulichen Anblick bieten, weil sie ihre Körper mit Pech bestreichen und enthaaren. Er berichtet auch davon, dass die Frauen allen gemeinsam sind, viel Sorgfalt auf die Pflege ihres Körpers verwenden und Gymnastik treiben. Dies oft gemeinsam mit den Männern, denn es ist für sie keine Schande sich unbekleidet zu zeigen. Sie lagern sich auch wie Männer zu Tisch und trinken auf das Wohl eines jeden, wie es ihnen beliebt.

Zu den Freiheiten der etruskischen Frauen schreibt Heurgon: „Ihr Feminismus ist keine neue Errungenschaft, sondern, so seltsam das klingen mag, ein altes Erbe, das durch die griechisch-römische Nachbarschaft bedroht wurde.“

WEISSAGUNGEN UND PROPHEZEIUNGEN

„Auf einem Gebiet galten die Etrusker als besonders kompetent und wurden deshalb, solange sie existierten, wegen ihrer Fähigkeit schicksalsträchtige Vorzeichen zu deuten, von den anderen Völkern bewundert. Nirgendwo sonst in der antiken Welt gibt es diese Art besessenen Sehertums, nirgendwo so viel Erfahrung, auf welche Weise die Beobachtung der Phänomene am Himmel, Donnerschläge und Eingeweide von Opfertieren göttlichen Willen enthüllen – wenn man von den Magiern Assyriens und Chaldäas absieht.“ J.Heurgon.

Vielerlei Gegenstände und Ereignisse, der Flug der Vögel ebenso wie die Leber eines Opfertieres, Donner und Blitz, überhaupt Naturkatastrophen oder auch ein Bienenschwarm, konnten für die Etrusker verborgene Bedeutung haben, auf kommendes Unheil hinweisen. Mit Hilfe der Anweisungen aus rituellen Büchern, lasen die Seher – die Haruspices – in der Zukunft und sagten Schicksale voraus. Die besten unter ihnen verstanden sogar Geschautes, wenn es Unheil ankündigte, wirksam zu beschwören. Dabei halfen ihnen die „Schicksalsbücher“, in welchen jahrhundertealte Erfahrungen ihrer Vorgänger festgehalten sind. In diesen werden z.B. die Namen der Vögel genannt, die beim Blick in die Zukunft eine besondere Rolle spielen. Es sind vor allem Adler, Habicht, Sperber und Specht.

Der Flug der Vögel, den die Etrusker sich für ein angstfreieres Leben zu deuten verstanden, war nun Thema für meinen ersten Entwurf eines handgeknüpften Teppichs. Ich habe mich dabei nicht an eine spezifische Vogelart gehalten, hatte vielmehr das Bild des Fliegens in verschiedenen Konstellationen im Blick.

Die Knüpfarbeit für einen 3 m mal 2,50 m großen Teppich dauert Monate. Dann macht er noch einige Prozeduren durch, ehe er aus Indien oder Nepal verschickt werden kann. Die gespannte Erwartung auf diesen Teppich, dessen Flächen aus gigantisch vielen winzigen Knoten geknüpft sind, war riesig. Dann war er endlich da und hat mir gefallen. Gleichzeitig wurde mir deutlich wie viele Varianten zu diesem Thema des Vogelflugs, den Haruspices oder dem rätselhaften Volk der Etrusker mit der ersten italienischen Hochkultur möglich sind.