Linde Burkhardt Texte

Florian Hufnagel: Vorwort Katalog „Die Mitgift der Prinzessin von Trapezunt“

2014

Die keramische Arbeit „Die Mitgift der Prinzessin von Trapezunt“ ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich und kann nur als vielschichtiges und facettenreiches Credo der Künstlerin Linde Burkhardt gelesen werden.

Die Arbeit besteht aus einer Vielzahl von aufeinandergetürmten Einzelelementen, die zu sieben Säulen geordnet sind. Material, Farbe und Bearbeitung lassen sie kostbar erscheinen. Der Phantasie des Betrachters wird Raum gegeben, um mit den Elementen spezifische Formen zu assoziieren, sei es ein Tafelaufsatz oder Sockel, seien es Schalen oder Vasen, Schatzkästchen, Schmuckkassetten oder eine wie auch immer geartete Kostbarkeit. Kurz, es entfaltet sich Reichtum in großer Opulenz und Unterschiedlichkeit. Abstrakter und sinnlicher zugleich kann Mitgift nicht dargestellt werden. Und daß den einzelnen Objekten keine klar definierte Funktion zugewiesen werden kann, ist nur zu verständlich, denn welcher Sterbliche hat je die Mitgift einer Prinzessin auf ihre Nützlichkeit hin befragt! Aber, was heißt nützlich? Reichtum ist nicht an Nützliches gebunden. Es sind die Gaben, die das Land hervorzubringen vermochte, aus dem die Prinzessin stammt. Alle sieben Städte dieses Landes haben dazu beigetragen, und dementsprechend unterschiedlich sind auch die sieben Säulen und bilden dennoch gemeinsam einen Schatz: Die Mitgift der Prinzessin.

Die irische Hollywood-Schauspielerin Maureen O’Hara hätte sicherlich eine herrliche Prinzessin von Trapezunt verkörpert. Ihr Film „The Quiet Man“ aus den 50er Jahren – so altmodisch und machohaft mit John Wayne als Ex-Boxer er sein mag – kreist um das Thema Mitgift, und plötzlich versteht man, daß Mitgift ein entscheidender Faktor von Gleichberechtigung war. Maureen O’Hara weigert sich, die Ehe mit John Wayne zu vollziehen, und das liegt nicht an mangelnder Liebe, sondern weil ihr Bruder ihre Mitgift einbehält, da er mit dem Kandidaten nicht einverstanden ist. Ohne Mitgift ist sie aber kein gleichberechtigter Partner. Erst nach Freigabe ihrer Mitgift kann sie als freie Frau, in freier Entscheidung, die Ehe eingehen.

Und so reist auch die Herrscherstochter aus dem Kaiserreich Trapezunt am Schwarzen Meer nach Portugal, um dort den König zu heiraten, vom Osten zum Westrand des damaligen Erdkreises. Eine Reise ohne Wiederkehr. Ein Thema, das immer wieder Künstlern Anregung für ihre Phantasie gab, und es ist spannend, diese über die Zeiten zu verfolgen von Pisanellos Fresken bis zur Opera buffa von Jacques Offenbach.

Linde Burkhardts Arbeit ist ein postmodernes Statement zu Beginn einer sich globalisierenden Welt; sie transferiert in vergangene Tage ein Geschehen, das sich abspielt außerhalb der damaligen Zivilisationen rund um das Mittelmeer, die damals alle schon zusammengebrochen waren und die in Trapezunt eine letzte Zufluchtsstätte fanden, sei es vor dem Einfall der Kreuzritter 1204, sei es vor den Osmanen 1453. Die Reise der Prinzessin von Trapezunt ist ein Versuch, zu Neuem aufzubrechen, nachdem die alte Welt versunken ist. Und es ist gut, dieses Werk von Linde Burkhardt in der Pinakothek der Moderne in München zu wissen, denn es war der bayerische Gelehrte Philipp Fallmerayer, der 1827 als erster, die Geschichte dieses Kaiserreiches erforschte.

Florian Hufnagel, Director general
Die Neue Sammlung
The International Design Museum Munich

Bilder der Ausstellungsstücke